British Columbia: Fünf Monate voller Magie
Artikel - British Columbia: Fünf Monate voller Magie

Kanada, Britisch Kolumbien, Okanagan, an der Mount Boucherie Secondary School in Westkelowna mit wohnort in Peachland:
An jenem Morgen, als es endlich so weit war, als ich das letzte Mal mit meinen Eltern am Esstisch sass und mein Morgenessen gegessen habe, fühlte ich eine unbeschreibliche Mischung aus Anspannung, Unsicherheit, Freude, Neugier und Ungewissheit. Wenige Stunden später sass ich dann bereits im Flugzeug nach Kanada. Es war surreal, zu wissen, dass ich für die nächsten fünf Monate nicht mehr hier sein würde. Ich hatte mir praktisch keine Zeit genommen, über alles nachzudenken oder mir vorzustellen, wie es werden könnte – und dafür bin ich im Nachhinein dankbar. Ohne Erwartungen konnte ich alles so auf mich zukommen lassen, wie es kam.
Am Flughafen angekommen, begrüsste mich spät in der Nacht meine Gastmutter herzlich. Nachdem wir mein Gepäck eingesammelt hatten, fuhren wir nach Hause. Obwohl ich todmüde war, konnte ich nicht schlafen.
Der nächste Tag verging ebenso schnell wie der vorherige. Gemeinsam mit meiner Gastmutter fuhr ich erneut zum Flughafen, um meinen Gastbruder abzuholen. Obwohl wir nur ein paar Mal geschrieben hatten und uns nie zuvor begegnet waren, fühlte es sich sofort so an, als wäre er der Bruder, den ich nie hatte. Dieses Gefühl blieb während des gesamten Austauschs bestehen.
Schon bald stand der erste Schultag an, zunächst nur für Austauschschüler*innen. Ich war schon sehr nervös, wusste jedoch auch, dass sich wahrscheinlich alle ähnlich fühlten. Unsere Homestay-Koordinatorin begrüsste uns herzlich, und da wir alle in derselben Situation waren, fiel es leicht, Kontakte zu knüpfen. Am ersten Tag fuhren wir gemeinsam in die nahegelegene Stadt Kelowna.
Am nächsten Tag aber dann begann mein erster richtiger Schultag, den ich mit gemischten Gefühlen erwartete. Doch auch dieser verging wie im Flug. Ich belegte vier Fächer: „Calculus“ (Mathematik), „Entrepreneurship“, „English First Peoples“ und „Human Geography“. Praktisch alles war anders als in der Schweiz. Schon der Schulweg war ungewohnt – jeden Morgen holte mich ein typisch gelber Schulbus ab, und ich hatte eine 50-minütige Fahrt. Die langen Distanzen wurden schnell zur Normalität, doch ich begann unseren öffentlichen Verkehr in der Schweiz umso mehr zu schätzen, da das kanadische Bussystem oft doppelt so lange dauerte wie eine Autofahrt und wenig flexibel war.
Der Schultag begann um 9 Uhr und war in vier Blöcke unterteilt: zwei am Morgen, eine Mittagspause um 12 Uhr, und zwei weitere am Nachmittag, bis die Schule um 15:15 Uhr endete.
Nach der Schule unternahmen wir oft etwas zusammen. Ich hatte deutlich mehr Kontakt zu anderen Austauschschüler*innen als zu Kanadier*innen, was ich einerseits schade fand, weil ich weniger über die lokale Kultur erfuhr. Andererseits war es einfacher, mit anderen Austauschschüler*innen Freundschaften zu schliessen, da wir alle in derselben Situation waren und Kontakte suchten. Häufig nahmen wir den Bus in die Stadt Kelowna, wo wir Zeit am See, in Restaurants, Shops oder Parks verbrachten.
Am Abend versuchten ich und mein italienischer Gastbruder dann aber auch so oft wie möglich früh zu Hause zu sein, um natürlich auch Zeit mit der Gastfamilie zu verbringen. Ich fühlte mich dort von Anfang an wohl. Die Gasteltern und meine drei Gastbrüder schafften eine herzliche Atmosphäre, und wir versuchten eine gute Balance zwischen Zeit mit der Familie und Freunden zu finden, was jedoch nicht immer einfach war.
Die Zeit verging wie im Flug. Die ersten Ferien verbrachte ich in einem Lager der Austauschorganisation sowie auf einer selbst organisierten Reise nach Vancouver mit meinem Gastbruder. Nach den Ferien setzte sich der Alltag fort, doch mit dem wärmer werdenden Wetter konnten wir immer mehr draussen unternehmen. Bald schon gingen wir die ersten Male im See baden, welcher jedoch bis zum Schluss eiskalt blieb.
Ein Highlight war das einwöchige Kajaklager nahe Vancouver Island. Während einer fünftägigen Kajaktour um eine Insel erlebte ich Kanada genau so, wie ich es mir immer vorgestellt hatte – eine unendliche unberührte Natur ohne Zivilisation weit und breit. Falls du auch einmal die Chance hast eine solche Tour zu machen, kann ich sie nur wärmstens empfehlen, da man nicht alle Tage die Möglichkeit hat Nordlichter zu sehen, auf dem offenen Meer Kajak zu fahren, irgendwo in der Wildnis zu übernachten und natürlich auch neue Leute kennenzulernen.
Das Ende meines Austausches kam immer näher und es war geprägt von gemischten Gefühlen. Einerseits freute ich mich auf meine Kontakte in der Schweiz und das Leben, das ich so sehr schätze. Andererseits war es traurig zu wissen, dass ich die Menschen, die ich in Kanada kennengelernt hatte, nur schwer in der gleichen Konstellation wiedersehen würde. Auch die Balance zwischen Aktivitäten mit der Gastfamilie und den Freunden war nicht immer leicht, eben vor allem am Schluss.
Mein Austausch war – wie wahrscheinlich jeder – geprägt von schönen, aber auch schwierigen Momenten. Doch am Ende zählen die Erinnerungen und Erfahrungen, auf die ich glücklich zurückblicken kann. Und davon habe ich definitiv unzählige.