Robert in Galveston

Ein Jahr weg von hier, ein Jahr lang was ganz anderes machen!

Was ganz anderes lernen und was Neues erleben. Das war schon immer ein Traum für mich. So war ein Auslandsjahr schon lange im Gespräch, bevor ich mich tatsächlich dafür entschied. Nach einem halben Jahr hin und her, wenn und aber, hatte ich mich dann dafür entschieden, für ein Jahr in die USA zu gehen. Ein Freund erzählte mir von "into" mit der recht unproblematischen Online-Bewerbung, und nur drei Tage später bekam ich eine Bestätigung von der Schüleraustauschorganisation für ein Treffen in Frankfurt. Meine Eltern und ich trafen einen Mitarbeiter von into und wir besprachen alles, was mich erwarten würde und wie das ganze Programm gestaltet ist. Dann musste ich ein kurzes Gespräch auf Englisch führen, was eine Art Englischtest sein sollte.

Der nächste Termin für die Vorbereitung war erst Anfang des Sommers, das Vorbereitungsseminar. Dieses war eine gute Gelegenheit, andere Austauschschüler kennenzulernen und mit "Returnees" (= ehemaligen Austauschschülern) ins Gespräch zu kommen. Ein paar Regeln wurden uns auch eingeprägt und natürlich durften Fragen gestellt werden. Es war ein geniales Wochenende und die Vorfreude wurde größer denn je. Endlich nahmen die Pläne Gestalt an

Doch jetzt begann auch das große Warten auf eine Gastfamilie. Ende der Sommerferien sollten eigentlich alle fliegen. Man hörte ab und zu von anderen Austauschschülern, die auch auf dem Vorbereitungsseminar waren, dass sie eine Familie bekommen hätten. Die Sommerferien fingen an und so langsam wurde auch ich ungeduldig. Ich hatte immer noch keine Familie. Ende der Sommerferien kam eine Anfragen ob ich Eishockey spielen könnte. Naja, nicht wirklich. Aber ich wollte so sehr eine Gastfamilie, dass ich einfach ja sagte. Leider fand die Partnerorganisation keine Schule für mich und so ging das Warten weiter, denn eine Platzierung erfolgt nur, wenn eine Gastfamilie und eine Schule in derselben Region verfügbar sind. Die Schule in Deutschland fing wieder an, die ersten Austauschschüler waren schon nach New York geflogen, und ich wurde immer nervöser, sehr nervös. Die Wartezeit zerrte unendlich an meinen Nerven und damit auch an denen meiner Familie. Mit Hilfe von into fand ich dann aber endlich doch noch eine Gastfamilie und flog mit der letzten Gruppe für eine Woche nach New York.

Die Woche in New York war einfach klasse. Es war schön, mit anderen Austauschschülern über Erwartungen zu reden und die Informationen über Gastfamilie und Schulen zu vergleichen. Ich wusste, dass ich zu zwei Gastvätern nach Texas kommen würde, auf eine Insel direkt im Golf von Mexiko, das war alles. Andere wussten schon, wie ihre Schule heißt, was sie für Kurse wählen würden und wie viele Haustiere sie hatten. Viele hatten schon mit den Familien geskyped, für so was hatte ich leider keine Zeit gehabt. Mein OK für die Gastfamilie war nur ein paar Tage vor dem Flug gekommen. Dafür war die Vorfreude, die Familie zu sehen, umso größer.

Nach einer schönen Woche Sightseeing in New York ging es dann endlich weiter nach Houston, Texas. Nach drei Stunden nervösem Rumsitzen landete endlich der Flieger. Alle möglichen Gedanken gingen mir im Kopf rum. Ich hatte kein Handy dabei - was ist, wenn mich niemand abholt? Was ist, wenn ich sie nicht erkenne? Oh Gott, wäre es peinlich, wenn wir einfach aneinander vorbei laufen würden! Ich hatte Fotos von den beiden bekommen, doch wie alt waren die?

Die ganze Aufregung war umsonst. Die beiden warteten am Gepäckband auf mich und wir fanden uns sofort. Ich glaube, sie hatten sogar die gleichen Klamotten an wie auf dem Foto, damit ich sie leichter erkenne! Mein Hostdad half mir dann auch gleich, mich an der Schule anzumelden und interessante Kurse zu wählen. Da er schon mehrere Austauschschüler hatte, kannte er auch das Angebot der Schule. Mein Stundenplan sah dann wie folgt aus: BESTT (eine Klasse, in der man lernt, ein Lehrer zu sein, und in Grundschulen geht, um dort zu unterrichten), Englisch, Schwimmen, Psychologie, US History und Digital Electronics. Durch Schwimmen kam ich auch zum Wasserballspielen, und so hatte ich während der Schulzeit und nach der Schule Training.

Die Schule fing um acht Uhr an und hörte um 16 Uhr auf, allerdings war ich wegen der Trainingszeiten selten vor 18 Uhr Zuhause. Sobald die Wasserballsaison anfing, hatten wir dann auch noch zweimal die Woche ein Spiel, und nebenbei spielte ich noch Rugby, sodass Sport bald sehr viel meiner Zeit einnahm. Ein normaler Schultag fing damit an, dass mich ein Mitschüler abholte und wir für die ersten zwei Stunden zu einer Grundschule fuhren, um dort zu unterrichten. Auf dem Rückweg zur Highschool hielten wir noch, um Frühstück zu kaufen. Danach hatte ich erst mal Englischunterricht. Ich hatte die AP Klasse gewählt, also auf College Niveau, aber davon war nichts zu merken. Ich war einer der Klassenbesten und mein Englisch war nicht außergewöhnlich gut. In der Stunde, die für Schwimmen vorgesehen war, hatten wir normalerweise ein Workout oder wir sind am Strand Joggen gegangen. Danach gab es Lunch. Man musste in der Schule ständig einen Ausweis um den Hals tragen. Dieser hatte ein Bild von mir und einen Strichcode abgebildet. Mit diesem Strichcode konnte man dann an den verschiedenen Essensständen einkaufen. Es gab von Burger bis hin zu Chinesisch alles, was man brauchte, sonderlich gut war es aber nicht. Also haben wir uns öfters auch mal aus der Schule geschlichen, um irgendwo Essen zu gehen. Allerdings war an jedem Ausgang ein Security Mann, der aufpasste, dass genau dies nicht passierte, und die Polizei patrouillierte mit Golfcarts um die Schule. Das war am Anfang ungewohnt, aber für die Amerikaner nichts Besonderes und kein Hindernis.

Am Wochenende habe ich viel mit meiner Gastfamilie unternommen, was von Gartenarbeit und Autokaufen bis hin zu Ausflügen nach New Orleans und Las Vegas alles abdeckte. Weihnachten fing für meine Gastfamilie schon Anfang November an. Wir verbrachten unsere gesamte Freizeit damit, Weihnachtsdekoration zu kaufen und aufzustellen. Wir hatten am Ende neun (!) Weihnachtsbäume und alles war voll mit Lichterketten. Auch das Dach und die Palmen vor dem Haus! Es war einfach unglaublich. Weihnachten selbst war dann doch schnell vorbei. Da auch meine Gasteltern nicht wirklich Familie in der Nähe hatten, wurde nicht groß gefeiert. Das war etwas ungewohnt, aber auch eine interessante Erfahrung.

Nach Weihnachten fing dann wieder die Sportsaison an und das zweite Halbjahr war schneller vorbei, als ich es mir je hätte vorstellen können. Die Schule endete am 1. Juni, und so musste ich schon am 5. Juni zurückfliegen. Da die meisten meiner neuen amerikanischen Freunde in dem Jahr ihren Abschluss gemacht hatten, war ich zu vielen Partys eingeladen und dazu kam noch, dass jeder mich ein letztes Mal sehen wollte. Zwischendurch noch Packen und etwas mit meiner Gastfamilie machen war ziemlich schwer. Die letzten drei Wochen waren womöglich die chaotischsten Wochen, die ich je erlebt habe. Die Zeit verging wie im Flug, und so stand ich dann am 5. Juni in den Armen meiner Gasteltern am Flughafen und war völlig aufgelöst. Gehen wollte ich nicht, doch Zuhause erwarteten mich so viele Leute, dass ich doch irgendwie gehen musste. Geschlafen hatte ich auf den neun Stunden Rückflug nicht wirklich, und so kam ich übermüdet und nervös am Frankfurter Flughafen an, wo mein Vater schon am Gepäckband wartete. Meine Freunde und Familie begrüßten mich mit Plakaten hinter dem Zoll und es war als wäre ich nicht weg gewesen. Die Tage waren ein Durcheinander aus Jetlag, Freude wieder da zu sein, und auch Trauer, nicht mehr in den USA zu sein. Doch alle gaben ihr Bestes, mir Deutschland wieder zum Zuhause zu machen.

Die Erfahrungen die ich in den USA gemacht habe, waren einfach unglaublich, und es ist wirklich eine Chance, Sachen zu machen, die man sonst nie gemacht hätte. Man findet Freunde fürs Leben und so war ich in den Weihnachtsferien ein Jahr später auch schon wieder in Galveston, um alle meine Freunde endlich wiederzusehen.