Leon in Monroe

Alles fing damit an, dass ich unbedingt wie mein Bruder 4 Jahre zuvor ins Ausland wollte. Es musste nicht unbedingt USA sein, doch einfach irgendwo hin, weit weg von zu Hause. Da ich jedoch schon nach 12 Jahren Abitur machen muss, aufgrund der Änderung des gymnasialen Schulsystems, stand dieser Wunsch zunächst in Sternen, da ich dann ein Schuljahr wiederholen müsste. Nach langem überlegen entschied ich mich jedoch meinen Traum zu verwirklichen. Ohne meinen Eltern davon zu erzählen habe ich mich Online und noch unverbindlich bei into beworben (mein Bruder ist damals auch mit into gefahren). Voller Enthusiasmus ging ich zu meinen Eltern und erzählte es ihnen. Wir bekamen Unterlagen und fingen an uns weiter zu informieren. All das war ca. im September 2010. Ich wurde zum Gespräch in Hamburg eingeladen, und ging mit Motivation heraus. Ich wollte endlich in die USA und mein Englisch verbessern und einfach mal etwas neues erleben, doch ich musste mich noch gedulden, denn noch war es 1 Jahr hin! Ich bekam schließlich alle Formulare zugesendet und füllte es mit meiner Mutter aus. Alles ausführlich und mehrfach angegeben werden. Es war echt eine lästige Arbeit, aber die USA bestand wirklich auf jedes einzelne Detail einer Person. Hätte ich meine Mutter nicht gehabt, hätte ich das alles gar nicht geschafft. Also es ist von äußerstem Vorteil wenn man engagierte Eltern hat, die einen unterstützen. Nach Arztbesuchen und Lehrergesprächen war alles bestätigt und abgezeichnet und konnte abgeschickt werden. Die Freude war groß, doch zugleich kam das Gefühl auf, dass jetzt alles verbindlich war. Es gab kein Zurück mehr. Als mir das bewusst wurde, war ich erst sehr aufgeregt und hatte mich gefragt wie es wohl sein wird, wenn ich mich von allem verabschieden muss. Zum Glück überwog der Teil in mir der sagte: ICH WILL WAS ERLEBEN! Also letztendlich konnte ich es nicht erwarten.

Ab Februar konnten schon die ersten Gastfamilien bekannt gegeben werden, doch leider war  für mich keine dabei. Ich wartete und wartete, und meine Freunde fragten ständig...doch es kam nichts. Im Sommer dann, als ich abfahren sollte hatte ich immer noch keine Familie, und langsam kam der Stress. Alle wollten wissen was los ist, was passiert, und ob ich nun dann auch wegfliege. Es kam schon soweit, dass mir ein Plan B angeboten wurde, der für mich Neuseeland sein sollte. Ich hatte mich darauf auch schon gefreut und informiert, es wäre nur etwas teurer gewesen, und etwas kürzer. Doch dann einen Tag vor der Deadline bekam ich die Nachricht, dass ich eine Familie in Louisiana habe! Und es hieß es würde in einer Woche losgehen! Die Aufregung und Freude kamen wieder hoch. Ich begann meine ganzen letzten Sachen zu erledigen, noch viel mit meinen Freunden zu machen, mich von allen zu verabschieden, und natürlich zu packen. Schließlich war es soweit, auf meinen Wunsch fuhr ich nur mit meinem Opa zum Flughafen und ohne tragische Verabschiedung ging ich durchs Gate und ins Flugzeug. Auf dem Flug nach Atlanta, war es sehr amüsant sich als Amerikaner auszugeben und ich fing an meine Sachen nur auf Englisch zu bestellen, weil ich mir auch nicht ganz sicher war, ob die Stewardessen englisch oder deutsch waren.

Schließlich angekommen, übrigens mit nur einer weiteren Austauschschülerin, weil die New York Camps schon vorüber waren, sprach mich ein Afroamerikaner an, und frage von wo ich komme. Als ich erwiderte, dass ich aus Deutschland bin, fing er sofort an über Dirk Nowitzki und Basketball zu reden. Das war schon äußerst amüsant. In der Empfangshalle erschlug mich dann eine Fast Food Restaurant Wand. Verschiedene Essensläden, mit langen Schlangen, und davor Amerikaner, die ihr Essen genossen. Als ich die Toiletten suchte und immer nur die Schilder „Restrooms“ fand, dachte ich immer: „Warum sind hier denn Räume zum ausruhen, aber keine Toiletten“. Erst als ich dann ein paar Wochen in meiner Familie war, fiel mir auf, dass Restrooms ja die Toiletten sind! Schließlich kam ich am Flughafen in Monroe an, wo mein Local Rep und ein paar andere Austauschschüler aus Monroe mich empfingen. Ich kam zunächst beim Local Rep unter, einer Mutter, mit einem 15 jährigen Sohn, bei der auch noch drei andere Austauschschüler wohnten. Sie erweis sich als das größte Glück was ich hätte haben können im Bezug auf Local Reps. Sie war super nett, locker und einfach immer ansprechbar. Man kann fast sagen, dass man zu ihr ein freundschaftliches Verhältnis hatte, auch nachdem ich in meine richtige Gastfamilie kam. Diese fand sie dann nach einer Woche, in dem Ort Sterlington, fünf Minuten von Monroe entfernt. Es waren zwei Fotografen mit zwei Söhnen (5 und 6 Jahre alt). Als ich das Haus von meinem Local Rep verlassen musste und in meine Familie kam, war ich echt traurig. Ich hatte mich irgendwie so daran gewöhnt, und wollte eigentlich gar nicht weg. Doch ich wusste ich konnte nicht dort bleiben, und es war Zeit das Auslandsjahr richtig zu beginnen in einer neuen Familie.

So kam ich in das Haus meiner Familie, es war ein kleines bescheidenes und relativ altes Haus, meine Begeisterung hielt sich also eher in Grenzen, da ich anderes von zu Hause gewohnt war. Aber meine Gasteltern waren echt super nett. Da es so spontan dazu kam, dass ich in diese Familie kam, waren sie noch gar nicht darauf vorbereitet und hatten noch kein Zimmer für mich fertig. Ich musste also auf der Couch schlafen für zwei Wochen. Während dieser Zeit haben wir Stück für Stück das Spielzimmer der Kinder leer geräumt und die nötigen Möbel drin gelassen. Ein paar zusätzliche Sachen haben wir dann später gekauft. Es konnte also losgehen!

Die Schule hatte schon angefangen,  und so meldete ich mich dort an und begann mitten in der Woche. Es war eine kleine Schule mit ca. 500 Schülern und nach ein paar Wochen kannte man alle Gesichter. Ich war erst enttäuscht, dass ich kein Französisch wählen konnte, doch die Lehrer waren alle echt super. Alle Lehrer total nett, und jeder irgendwie anders. Alle Lehrer waren so interessiert an mir, genau wie die Schüler. Jeder wollte mit mir reden und Fotos machen, alle haben mich ausgefragt und haben sich über meinen deutschen Akzent schlappgelacht. Es verging nicht viel Zeit, bis ich einen ersten Freund fand; ein brasilianischer Austauschschüler, zu dem ich jetzt noch Kontakt habe. Ich fand Freunde aus verschiedenen Freundeskreisen, die gar nicht so viel miteinander zutun hatten, und langsam wand ich mich dem einen immer mehr zu, verlor die anderen jedoch aus nicht aus dem Auge. Da ich auch in Deutschland Basketball gespielt habe, entschied ich mich nachzufragen, ob ich dort auch spielen könnte. Ich wusste es würde hart werden. Jeden Tag Training und ein viel höheres Level. Der Trainer des Basketballteams lud mich in sein Büro ein und sagte ich wäre im Team, müsste jedoch auch die Try Outs mitmachen. Ich war froh, dass ich dann letztendlich nicht nur als Extrawurst ins Team gekommen bin,  sondern auch weil ich es in den Try Outs geschafft hatte. Von nun an hieß es also Basketball, jeden Tag 2 Stunden. Es war am Anfang echt sehr hart,  aber ich merkte wie ich immer besser wurde, mich immer mehr integrierte und auch akzeptiert wurde.

Ein weiterer neuer Faktor im Leben in den USA war für mich die Kirche. Ich war im Süden gelandet also im eher konservativen Teil Amerikas. Kirche und Religion war als täglicher Bestandteil meines Lebens. Meine Familie und Freunde waren alle relativ religiös und gingen regelmäßig jede Woche in die Kirche. Es zeigte sich aber schnell, dass es viel cooler war als in Deutschland. Ich war echt begeistert. Jeden Mittwoch ging ich mit Freunden in die Jugendkirche, was auch eine Art Treffpunkt für viele Freunde und Jugendliche von anderen Schulen war. Es war also sehr vorteilhaft für mich um Leute kennenzulernen. Die Kirche, die ich an Sonntagen mit meiner Familie besuchte, war eine andere, größere. Ich war echt fasziniert, ein riesiger Saal mit einer Bühne und eine große Band mit Gospel Chor! Das war echt cool! Auch wenn die ganzen Predigten zwischendurch nach einem Jahr echt genauso lästig wurden, wie in Deutschland, muss ich sagen hat mir Kirche im Allgemeinen echt gut gefallen. Was mir nicht so gut gefallen hat, war, dass es keine richtige Innenstadt gab, mit Fußgängerzonen oder einem „Zentrum“. Obwohl Monroe relativ groß war, gab es nirgends Fußgängerwege oder irgendeine Innenstadt. Nur eine Mall. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Cool war hingegen, dass ich jederzeit mit meinen Freunden dorthin konnte, weil alle schon ein Auto hatten und selber fahren konnten. Dadurch war ich relativ unabhängig von meinen Gasteltern. Meistens sah mein Tagesablauf relativ gleich aus, ich ging zur Schule,  hatte Training und kam dann um ca. 5 Uhr nach Hause. Ich war dann immer ziemlich kaputt und hab mich nur noch ausgeruht und später abends mit der Familie gegessen. Dieser Alltag trat relativ schnell ein und man sehnte ich eigentlich immer nach ein wenig mehr Abwechslung, die es aber nur ab und zu durch Sachen wie Prom oder Feierlichkeiten gab.

Weihnachten war sehr cool und anders! Die ganze Familie von meiner Gastmutter, die Mexikanischer Herkunft war, kam zu uns und wir aßen sehr viel Mexikanisches Essen, und alles war laut und lustig. Das ganze Jahr über habe ich das Essen meiner Gastmutter echt genossen! Um Weihnachten rum war die Weihnachtsstimmung anders als in Deutschland, da es viel mehr um wirklich religiöse Hintergründe ging, und es auch kein Schnee gab. Aber an Weihnachten selbst kam auch bei mir die Stimmung auf, als wir dann zusammen den Baum schmückten und anfingen die ganzen Geschenke einzupacken. Ich hab mit meiner Familie coole Ausflüge gemacht, wie zum Beispiel nach New Mexico in die Berge zu fahren zum Snowboarden, oder nach South Padre Island (Texas) um ein bisschen in der Sonne zu entspannen. Ich hatte echt neben viel Alltagslangeweile auch viel Spaß. Meine Freunde waren super! Ich war sehr zufrieden, auch wenn ich Anfangs so skeptisch war, als ich in meine Familie kam. Doch dadurch, dass ich nicht nur verwöhnt wurde und auch ein bisschen im Haus helfen musste, und kleine Geschwister hatte, um die ich mich manchmal kümmern musste, habe ich viel dazugelernt. Gerade Disziplin und Hilfsbereitschaft, aber auch Verantwortung. Gerade im Alter von 16 Jahren, ist das was ein Junge lernen muss.

Die Schulfächer, die ich hatte waren alle super einfach. Es gab sogar Fächer, die man zwar gewählt hat, aber in denen man wirklich nur am Computer saß und auf Youtube Videos angucken konnte. Auf der anderen Seite gab es Fächer wie Kunst, die mir echt Spaß gemacht haben. Auch in American History und Englisch habe ich viel dazu gelernt und wird mir auf meinem weiteren Weg bestimmt noch zu Gute kommen. Das Highlight meines Auslandsjahres war die Zeit im Basketballteam. Es war nicht wie hier in Deutschland, es war viel ernster. Man war ein richtiges Team, was zusammen hält, was zusammen jeden Tag trainiert. Man kannte jeden ziemlich gut, und war ständig mit ihnen unterwegs zu teilweise Stunden entfernten Auswärtsspielen. Und bei Heimspielen hat einen die ganze Schule angefeuert. Auch wenn ich oft auf der Bank saß, war man so tief im Spiel drin und stand so hinter seinem Team, das hatte ich noch nicht erlebt. Die Menge hat teilweise meinen Namen gerufen, dass sie mich einwechseln sollen! Sie schrien meinen Namen immer wieder, und es war ein unvergessliches Gefühl auf dem Feld zu stehen, und seinen Namen gerufen zu hören, wenn man einen Korb macht.

Als sich das Jahr zum Ende neigte, musste ich mich wieder von allen verabschieden. Es war sehr komisch, da man nicht genau wusste ob man alle noch mal wieder sieht. Ein paar Tage vor meiner Abreise kam mich ein Bruder besuchen, da wir noch vorhatten durch die USA zu reisen. Für drei Tage stellte ich ihm mein Leben und meine Freunde in den USA vor, bis wir schließlich mit meiner Gastmutter nach Mississippi fuhren, da von dort unser Zug nach New Orleans fuhr. Ich hatte bis jetzt noch nicht geweint beim Abschied von meinen Freunden, doch als dann meine Gastmutter anfing zu weinen, als mein Bruder und ich in den Zug steigen mussten, kamen mir auch die Tränen. Ich war ihr wirklich ans Herz gewachsen, und sie mir auch. Ich hoffe dass ich sie bald alle noch mal wieder besuchen kann. Nach der Reise durch nach New York, New Orleans, Grand Canyon, San Francisco und Los Angeles ging es wieder zurück nach Deutschland. Nach 22 Stunden, die ich unterwegs war, kam ich nun am Hamburger Flughafen an, und mir ging da schon die deutsche Sprache auf den Senkel. Ich hatte es geliebt Englisch zu sprechen, und jetzt hörte man überall nur noch Deutsch. Das war echt gewöhnungsbedürftig, obwohl ich ja mit meinem Bruder schon die ganze Zeit Englisch gesprochen hatte. Als ich meinen Koffer holte und mich zum Ausgang bewegte, war ich total nervös. Ich konnte es kaum erwarten meine Eltern und Freunde wiederzusehen. Ich wusste noch nicht mal wer alles am Flughafen auf mich wartete. Dann ging ich mit meinem Koffer aus dem Gate und ich hörte nur: „DA IST ER!!“. Ich sah viele von meinen Freunden die alle riefen und lachten und sich freuten und meine Eltern und Familie, die strahlen. Ich ging hin und umarmte jeden! Es waren sogar welche da, von denen ich es gar nicht erwartet hätte, ich habe mich über jeden einzelnen so gefreut! Ich musste dann erst mal alles auf mich wirken lassen und konnte gar nicht realisieren, dass ich nun wieder in Deutschland beim alten Leben war. Meine Freunde hatten sich bestimmt verändert und ich auch. Ich war aber echt froh wieder zu Hause zu sein. Es war Zeit gewesen, wieder ins richtige Leben zurück zu gehen.

Ich bin durch das Jahr wirklich sehr viel selbstbewusster, erwachsener, hilfsbereiter und vieles mehr geworden. Ich bin echt froh, dass ich das alles gemacht habe, ich würde diese Entscheidung immer wieder treffen. Auch wenn es auch negative Aspekte gab, war es eine Erfahrung wert und hat echt Spaß gemacht. Es hat nicht lange gedauert, bis ich mich wieder eingelebt habe. Das Deutsch kam relativ schnell wieder, und nach ein paar Wochen hatte ich auch schon alle Gesichter wieder gesehen! Aber jedes Mal wenn man wieder jemanden wieder gesehen hat, der nicht am Flughafen war, oder den man nicht jeden Tag in der Schule sieht, hat man sich super gefreut und war echt froh darüber alle wiederzuhaben. So, das war mein Erfahrungsbericht! Ich hoffe er gefällt euch. Ich hätte noch 10 Seiten mehr schreiben können, doch im Groben, ist das meine Reflektion von meinem Auslandsjahr in Louisiana!